Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrte Vorstände regionaler Imkerverbände
Sehr geehrter Herr Hederer, Präsident des Deutschen Berufs-und Erwerbsimker Bund e.V.
Sehr geehrter Maske, Präsident des Deutschen Imkerbundes e.V.
der Rechtsstreit zwischen dem Hobbyimker Herrn Bablok und dem Freistaat Bayern über die Verkehrsfähigkeit von
Honig, der Pollen aus dem gentechnisch veränderten Mais MON 810 enthält, und über einen finanziellen Ausgleichsanspruch
ist Ihnen allen hinreichend bekannt. Zur Klärung des Rechtsstreits legte der Bayerische Verwaltungsgerichthof
dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) drei Fragen zur Vorabentscheidung vor. Hierbei ging es im
Wesentlichen um die Klärung von zwei Sachverhalten:
1. Ist Pollen aus Mais MON 810 im Honig noch als ein gentechnisch veränderter Organismus (GVO) im Sinne
der Gesetze anzusehen?
2. Unterliegt Honig mit Pollen aus Mais MON 810 einer eigenen gentechnikspezifischen Zulassung?
Am 9. Februar 2011 hat der EuGH-Generalanwalt Yves Bot seine Schlussanträge hierzu vorgelegt (
http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62009C0442:DE:HTML ). Die Ausführungen sind für die Richter
am EuGH nicht bindend. Sie sollen ihnen als eine Entscheidungsvorlage dienen. In den meisten Fällen folgen die
Richter allerdings diesen Schlussanträgen.
Für Sachverhalt 1 empfiehlt Generalanwalt Bot Pollen im (verzehrsfähigen) Honig nicht mehr als einen lebenden
Organismus im Sinne der Gentechnikgesetze anzusehen. Dies bedeutet für Imker, dass sie im Falle einer als Lebensmittel
(Pollen) zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanze keine lebenden gentechnisch veränderten Organismen
im Honig in Verkehr bringen bzw. verbreiten.
Für Sachverhalt 2 kommt Generalanwalt Bot zu dem Schluss, dass Honig mit Pollen aus dem gentechnisch veränderten
Mais MON 810 eine gentechnikspezifische Zulassung nach Verordnung (EC) Nr. 1829/2003, Art 3, Abs. 1c
benötigt. Er begründet dies darin, dass Pollen als Zutat im Honig angesehen werden muss, denn Imker würden Pollen
aktiv bei der Honiggewinnung in den Honig einbringen. Da Pollen aus Mais MON 810 eine Zutat aus einem GVO
darstellt, wird ein solcher Honig aus einem GVO hergestellt und bedarf deshalb einer Zulassung. In der Randnummer
111 macht er deutlich: „Bei dem im Honig enthaltenen Pollen des Maises MON 810 handelt es sich meines
Erachtens auch ganz klar um eine Zutat, die im Sinne von Art. 3 Abs 1c dieser Verordnung „aus GVO hergestellt
(wird)“. Andererseits bezieht er sich auf die Honig-Richtlinie 2001/110/EG, die klar stellt, dass dem Honig weder
Lebensmittelzutaten noch Lebensmittelzusatzstoffe noch andere Stoffe als Honig zugegeben werden dürfen; ebenso
dürfen dem Honig aber weder Pollen noch honigeigene Bestandteile entzogen werden. Damit seine Einschätzung
zum Pollen als Zutat nicht im Widerspruch zu Honig-Richtlinie steht, schließt Generalanwalt Bot in Rundnummer
108: „……, dass es sich beim Pollen um einen organischen Stoff handelt, der Wesensbestandteil des Honigs ist. Er
ist kein Fremdkörper, keine Verunreinigung des Honigs, sondern ein normaler Bestandteil des Honig, der im Prinzip
nicht entzogen werden darf.“ Offensichtlich ist Pollen sowohl Zutat als auch wesentlicher Bestandteil im Honig.
Inwieweit der Begriff
Zutat im Zusammenhang mit Pollen im Honig rechtskonform ist, kann hier von mir nicht bewertet
werden. Aber sicherlich ist die Einschätzung von Generalanwalt Bot
nicht zutreffend, dass Imker aktiv und
bewusst Pollen bei der Honiggewinnung in den Honig einbringen, Wie Sie aus ihrer eigenen Praxis wissen, betreiben
Imker ein Zumischen von Pollen nicht aktiv. Ja, sie haben gar keine Wahl, denn Pollen befindet sich bereits auch
ohne ihr Zutun im Honig.
Zunächst sollte das zu erwartende EuGH-Urteil als Richtschnur / Entscheidungshilfe für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof
gesehen werden. Dieser fällt sein Urteil im Verfahren von Bablok gegen den Freistaat Bayern auf
die Verkehrsfähigkeit von Honig mit Pollen aus dem Mais MON 810 und möglichen Entschädigungsansprüchen.
Für deutsche Imker hat das EuGH-Urteil in Hinsicht auf die Gentechnik primär keine Auswirkungen. Es wird sie auch
nicht vor der Gentechnik schützen. Da der kommerzielle Anbau von Mais MON 810 bislang in Deutschland verboten
ist, sollte auch kein Eintrag von Pollen vom Mais MON 810 mehr stattfinden.
Zum Schaden von ausländischen Imkern ist ein Import von Honig, der auch nur geringste Spuren von Pollen aus
Mais MON810 oder anderen gentechnisch veränderten Pflanzen enthält, nach Deutschland bzw. in EU-Staaten ist
nicht mehr möglich.
Allerdings sollte das EuGH-Urteil auch als ein Grundsatzurteil angesehen werden. Das Urteil wird sich nicht allein auf
Pollen von Mais MON 810 beziehen, sondern letztlich Pollen aller (gentechnisch veränderten) Pflanzen erfassen. Es
wird Auswirkungen auf die Gesetzgebung haben, gleichgültig ob es sich um Pollen aus gentechnisch veränderten
oder aus konventionellen Pflanzen handelt. Mit der Einordnung von Pollen als Zutat werden Imker für das Inverkehrbringen
von Honig neu und möglicherweise finanziell gefordert. Pollen sind als Auslöser von Allergenen bekannt
und sicherlich müssen Pollen von Haselnüssen in einem Zutatenverzeichnis aufgeführt werden( im Prinzip gilt dies
bereits heute). Zusätzlich weisen Pollen sehr unterschiedlicher Pflanzen Kreuzreaktionen auf, z.B. Haselnuss/Apfel
und auch hierüber muss der Imker Aufschluss geben. Der Anteil von konventionellen Pflanzen, die Bienen befliegen,
ist gegenwärtig in Deutschland sehr, sehr viel höher als der von gentechnisch veränderten. Deshalb sollten unabhängig
von Einstellung zur Grünen Gentechnik die Auswirkungen der Schlussanträge von Generalanwalt Bot zu
Pollen im Honig kritisch überprüft werden.
Mit freundlichen Grüßen
Kl.-D. Jany