Kürzlich meldete die saarländische Landesregierung, sie habe den Weg freigemacht für einen Beitritt des Landes zum "Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen". Man wolle, so Umweltministerin Anke Rehlinger (SPD), mit anderen "eine Strategie entwickeln, damit das Saarland auch in Zukunft eine gentechnikfreie Anbauregion bleibt". Der Vorgang ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen beugt sich die Landesregierung damit dem technologiefeindlichen Zeitgeist und stellt sich massiv gegen die Wissenschaft. Alle deutschen Wissenschaftsorganisationen - von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bis zur Fraunhofer-Gesellschaft - haben sich nachdrücklich für die Nutzung der Grünen Gentechnik ausgesprochen. "In Deutschland ist noch nicht hinreichend akzeptiert, dass die Anwendung der Gentechnik in der Pflanzenzüchtung ein noch unausgeschöpftes Potenzial für den ökologischen Landbau, für verbesserten Umweltschutz, die Erhaltung der Artenvielfalt und die Gesundheit bietet", sagt auch die Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard, Direktorin am Tübinger Max-Planck-Institut.
Der Landesregierung aber fällt nichts Besseres ein, als eine Strategie zu entwickeln, die die Grüne Gentechnik dauerhaft aus der Landwirtschaft verbannt. Statt die Menschen über den Stand der Wissenschaft aufzuklären, schürt sie lieber Ängste. Sieht so der noch lange nicht bewältigte Strukturwandel im Saarland aus?
Einen bemerkenswerten Beitrag zum Thema Grüne Gentechnik hat dieser Tage der Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, der Nobelpreisträger Werner Arber, geleistet: Nach Ansicht der Akademie folgt die Herstellung genetisch veränderter Organismen den Naturgesetzen der biologischen Evolution. Man darf gespannt sein, bis wann sich dies bis zur Landesregierung herumspricht.
Deren Strategie ist nicht nur wissenschaftsfeindlich. Vielmehr läuft sie auch auf eine Irreführung der Verbraucher hinaus. Während das Saarland als "gentechnikfreie Region" verkauft wird, sind rund 80 Prozent aller Lebensmittel mit Gentechnik in Berührung gekommen. Dies gilt besonders für Backwaren, Milch, Rind- und Schweinefleisch. Auch die Pharmazie arbeitet aus guten Gründen mit der Gentechnik: Über 140 Medikamente werden gentechnisch hergestellt, etwa Insulin für Zuckerkranke.
Würden alle Lebensmittel, die mit Gentechnik in Berührung gekommen sind, aus den Regalen verbannt, wäre eine Hungersnot in den "gentechnikfreien Regionen" programmiert. Dies wissen die Vertreter eben dieser Regionen. Bei einer Konferenz dieses Netzwerkes gab es jüngst heftigen Streit zwischen einer kleinen Minderheit, die eine Kennzeichnung aller mit Gentechnik in Berührung gekommenen Lebensmittel fordert, und der Mehrheit, die eine umfassende Kennzeichnung ablehnt. Begründung: Wenn alle Lebensmittel gekennzeichnet werden müssten, könnten die "gentechnikkritischen Verbraucher resigniert aufgeben". Lieber also weiter Illusionen über die angebliche Gentechnik-Freiheit verbreiten und Ängste schüren, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Eine tolle Strategie, für die sich unsere Regierung da entschieden hat.